In Oberndorf bei Salzburg kreuzten sich die Wege von Franz Xaver Gruber und Joseph Mohr für kurze Zeit: Nur zwei Jahre waren die beiden Schöpfer von „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ hier in Freundschaft verbunden. Doch diese kurze Zeit reichte aus, um das vielleicht berühmteste Lied der Welt erstmals vor Publikum zu spielen: Am 24. Dezember 1818 ist „Stille Nacht! Heilige Nacht“ in Oberndorf erstmals erklungen.
Franz Xaver Gruber, der Lehrer, Mesner und Organist aus Arnsdorf, übernahm 1816 den Orgeldienst in der Kirche St. Nikola in Oberndorf, einer „Schifferkirche“. Dort traf er ein Jahr später auf den neuen Hilfspriester Joseph Mohr. Mohr war von Mariapfarr nach Oberndorf versetzt worden, weil das raue Klima im Lungau seine Lungenkrankheit wiederaufleben lassen hatte. In Joseph Mohr fand Franz Xaver Gruber einen Freund – der leutselige Priester hatte ein Zimmer im Mesnerhaus bei der Kirche bezogen und kehrte gerne auch bei den umliegenden Wirtshäusern ein. Diese Nähe zu den Menschen wurde Joseph Mohr in Folge oft vorgeworfen – vor allem vom damaligen Pfarrprovisor Georg Heinrich Nöstler. Der Vorwurf war konkret, Mohr „scherze mit Personen des anderen Geschlechts“ und singe „oft nicht erbauliche Lieder“. Schlussendlich wurden diese Anschuldigungen von beider Vorgesetzten jedoch als haltlos zurückgewiesen. Nichtsdestotrotz dürfte Joseph Mohr ein aufgeschlossener Hilfspriester gewesen sein. Und als solcher zeigte er seinem Freund Franz Xaver Gruber zu Weihnachten 1818 sein Gedicht „Stille Nacht“, das er 1816 in Mariapfarr geschrieben hatte.
Ein Weihnachtslied vor dem Hintergrund seiner Zeit
Die Entstehung von „Stille Nacht“ ist vor dem Hintergrund der damaligen Zeit zu sehen. Das frühe 19. Jahrhundert war eine schwere Zeit für die Menschen in Salzburg. Nach 1803 wurden die Fürsterzbischöfe entmachtet, Salzburg war kein geistliches Reichsfürstentum mehr. In den kommenden Jahren geriet Salzburg immer mehr zum Spielball der Mächtigen. 1805 erst österreichisches Hoheitsgebiet, besetzten 1809 französische Truppen das Land. Nur ein Jahr später traten die Franzosen Salzburg den Bayern ab, die sich Jahre später schließlich mit Österreich gegen Napoleon verbündeten. Und so fiel das frühere Erzstift 1816 schließlich endgültig an den habsburgischen Großstaat. Eine Geldentwertung traf die Salzburger hart, mindestens ebenso schlimm waren die Missernte im Jahr 1816, dem „Jahr ohne Sommer“. Auch die Grauen des Krieges saßen den Salzburgern noch tief in den Knochen. Und in Oberndorf, dem kleinen – nun österreichischen – Ort an der Salzach, wo das Lied erstmals erklungen ist, empfand man die Trennung Salzburgs von Bayern als besonders schmerzlich. In dieser Zeit also entstand „Stille Nacht! Heilige Nacht!“, ein einfaches und besinnliches Weihnachtslied, das vom Glauben und vom Frieden erzählte.
Die Uraufführung in der „Schifferkirche“ St. Nikola in Oberndorf
Joseph Mohr bat Franz Xaver Gruber also, eine passende Melodie für zwei Solostimmen und für eine Gitarrenbegleitung zu verfassen. Entgegen der Legende von den Mäusen, die die Orgel in der Kirche St. Nikola in Oberndorf angenagt hatten, war die Melodie von „Stille Nacht“ von Anfang an für die Gitarre bestimmt. Das hatte einen einfachen Grund: Die Gitarre war ein Alltags-Instrument, ein Instrument, das im Wirtshaus gespielt wurde. Ein Instrument der einfachen Leute. Mit diesem Instrument wollten Franz Xaver Gruber und Joseph Mohr am 24. Dezember ihr bescheidenes Weihnachtslied spielen – nach und nicht während der Christmette, und vor der Krippe. So drückten sie ihren Glauben aus. Nicht liturgisch-tragend. Sondern einfach und schlicht. Ein Lied in der Sprache des einfachen Volkes, ein Lied in Deutsch. Gruber sang den Bass, Mohr den Tenor und begleitete mit der Gitarre. Die originale Gitarre ist übrigens im Stille-Nacht-Museum Hallein ausgestellt. Das Lied gefiel den Zuhörern, zumeist Salzachschiffer und Schiffbauer, und wurde mit Wohlwollen aufgenommen. Mehr ist von der Uraufführung nicht überliefert. Die Kirche St. Nikola musste um 1906 abgerissen werden – sie war durch viele Überschwemmungen zu baufällig geworden. An ihrer Stelle steht heute die Stille Nacht-Kapelle.
Über Tirol fand das einfache und doch so berührende Weihnachtslied schließlich seinen Weg in die Länder Europas. Dank Friedrich Wilhelm IV. von Preußen sind die Autoren heute noch bekannt: Auf seinen Wunsch hin wurden 1854 über das Stift St. Peter Nachforschungen angestellt. Man ging damals davon aus, dass Michael Haydn der Schöpfer des Liedes war. Franz Xaver Gruber konnte dies mit einer handschriftlich verfassten Entstehungsgeschichte des Liedes widerlegen. 2011 wurden Text und Melodie von „Stille Nacht“ in die UNESCO-Liste traditioneller, gelebter Kostbarkeiten der Republik Österreich aufgenommen. Als Inbegriff des Weihnachtsliedes.
Stille Nacht in Obendorf: Auf den Spuren von Gruber und Mohr
Wunderschön anzusehen und ein Magnet für Besucher aus der ganzen Welt ist die Stille Nacht-Kapelle. Besonders sehenswert ist auch das neue Stille-Nacht-Museum von Oberndorf im renovierten alten Pfarrhof der St. Nikolaus-Kirche.
Advent im Stille Nacht-Ort Oberndorf
Sehr stimmungsvoll ist das alljährliche Stille-Nacht-Historienspiel. Es beginnt am stimmungsvollen Weihnachtsmarkt am Stille Nacht-Platz in Oberndorf und führt anschließend in einem Laternenmarsch entlang des Stille Nacht-Themenweges nach Laufen. Das Stille Nacht-Spiel dauert rund drei Stunden. Jedes Jahr am 24. Dezember gibt es vor der Stille Nacht-Gedächniskapelle ab 17.00 Uhr eine Gedenkfeier zu Ehren von Franz Xaver Gruber und Joseph Mohr. Zwei Sänger, begleitet von Gitarre und Chor, tragen „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ in der Ur-Version vor – in allen sechs Strophen. Gänsehaut garantiert! Auch das weihnachtliche „Stille Nacht Sonderpostamt“ ist einen Besuch wert. Von hier aus wird Weihnachtspost, versehen mit der Weihnachts-Sondermarke und dem Sonderstempel, in die ganze Welt verschickt.
Stille Nacht Oberndorf
Stille-Nacht-Platz 2
5110 Oberndorf bei Salzburg
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Fotocredit Titelfoto: © SalzburgerLandTourismus