Meine besondere Zuneigung zum Lungau, den dortigen Menschen und den malerischen Ortschaften, kommt sicherlich zu keinem geringen Teil daher, dass mich der südlichste Gau des SalzburgerLandes immer wieder zu überraschen vermag. So auch an jenem sonnigen Tag, als ich auf der Suche nach neuen Geschichten und Inspirationen durch den mittelalterlichen Ort Mauterndorf spazierte. Und so stand ich plötzlich vor einer Reihe von wunderbaren Häusern, die so gar nicht hier her zu passen schienen. Treppengiebelhäuser im Lungau? Gibt es die sonst nicht nur in Bayern? Wie gesagt, der Lungau schafft es immer wieder, mich zu überraschen.
Noch heute kann man den Reichtum, den Mauterndorf einst gehabt haben muss, an jeder Ecke sehen. Damals, als der Ort noch einer der wichtigsten Mautstellen auf der Nord-Süd-Handelsroute durch die Alpen gewesen ist. Ein jeder Händler oder sonstige Reisende musste hier seinen Zoll bezahlen, um seinen Weg in Richtung der Stadt Salzburg oder dem italienischen Süden fortsetzen zu dürfen. Doch der Lungau war auch reich an Bodenschätzen und so wurde ebenfalls von hier aus reger Handel mit verschiedenen Erzen betrieben. Im 16. Jahrhundert war der Bergbau auf seinem Höhepunkt und wichtige ‚Gewerkengeschlechter‘ siedelten sich in Mauterndorf an, um ein Stück des ‚üppigen Kuchens‘ für sich abzubekommen. Die mächtigsten unter ihnen waren die ‚Jocher aus Bayern‘, die die Gegend nachhaltig beeinflussten und auch viel von ihrer eigenen Kultur mit in den Lungau brachten. So auch die sogenannten ‚Treppengiebelhäuser‘, welche im bayrisch-fränkischen Stil erbaut wurden, noch heute das Ortsbild prägen und die in vergangenen Zeiten als Wohn- und Verwaltungshäuser dienten.
Das besondere an ihnen, neben ihrer imposanten Schönheit, ist sicherlich die Einzigartigkeit dieses Architekturstils im heutigen SalzburgerLand. Das stufenförmig gebaute Giebelfeld reicht dabei über die Dachhaut hinaus, verdeckt diese und sorgt so für das prägnante Aussehen. Ursprünglich aus dem Rheinland des 13. Jahrhunderts kommend, breitete sich der Treppengiebel, oder auch Staffelgiebel, in den folgenden Jahrhunderten über Norddeutschland, Dänemark, bis hin nach Schottland und Süddeutschland aus und prägt so noch heute das Ortsbild vieler Städte in diesem Raum. Im SalzburgerLand und hier speziell im Lungau stellt er jedoch eine absolute Besonderheit dar. Heute stehen die Häuser in Mauterndorf unter Denkmalschutz, sind in den vergangenen Jahren liebevoll und detailgetreu renoviert worden und dienen jedes Jahr vielen Tausenden von begeisterten Besuchern des Lungaus als imposantes Fotomotiv. Und so mache auch ich ein letztes Bild, lasse noch einmal die wunderbaren Fassade auf mich wirken und setze dann meinen Spaziergang fort. Womit mich der Lungau wohl als nächstes überraschen wird?