Wie viel Holz steckt in einem modernen Ski? Wir haben nachgefragt und im FIS-Landesskimuseum erstaunliche Einblicke gewonnen.
Es war das Jahr 1972: Die Kleinarlerin Annemarie Moser-Pröll gewann zum zweiten Mal den Gesamtweltcup in Folge und Österreich den Nationencup bei den Herren und bei den Damen. Skifahren war längst ein Massensport geworden und eine ganze Nation bejubelte ihre Athleten. In Altenmarkt holte in diesem Winter der junge Hans Müller das letzte Paar Ski aus der Presse, das er selbst bauen sollte: Ein Ski mit 24-fach verleimtem Holzkern. Das war schon was! Seine Ausbildung zum Holzhandwerker (Wagner) hatte der Salzburger bereits abgeschlossen, die Liebe zum Skisport sollte ihn jedoch sein Leben lang begleiten. Ab und zu fuhr er in den 1970er-Jahren noch ein Rennen, doch bis an die Spitze hat es nicht gereicht. „Die besten Rennläufer haben sich von mir die Ski wachseln lassen. Und dann haben sie mich auf der Piste gewachselt“, lacht er herzhaft. Schon sein Großvater hat Ski gebaut: „Letztendlich wollte ich Skibauer werden, um einmal selbst g’scheite Ski zu besitzen. Daheim hatten wir immer nur altes Zeug.“
FIS-Landesskimuseum in Werfenweng
Seitdem hat sich viel geändert: In der Ski-Industrie ebenso wie bei Hans Müller. Vor über 25 Jahren hat er das Salzburger FIS-Landesskimuseum in Werfenweng gegründet und ist bis heute dessen Obmann. Hier wird die Geschichte des alpinen Skisports anhand außergewöhnlicher Exponate nacherzählt. Auch wenn die Skandinavier die Ski früh als Fortbewegungs- mittel nutzten, war es ein Österreicher, der die alpine Skilauftechnik erfand. Mathias Zdarsky (1856–1940) galt ebenso als Skipionier wie Oberst Georg Bilgeri (1873 – 1934), der das Skifahren in der Stadt Salzburg wei- terentwickelte. Hier entstand 1910 mit der „K.K. Heeresskifabrik“ Öster- reichs erste Skifabrik. Skifahren sollte vorrangig der Landesverteidigung dienen, bevor es zu einer sportlichen Ertüchtigung wurde. Die Berufsgrup- pe der Wagner – eigentlich für Kutschenräder und Schlitten zuständig– spezialisierte sich auf die Herstellung der langen Holzlatten, bevor in den 1940er-Jahren die industrielle Skierzeugung ihren Anfang nahm. Schon in den 1920er-Jahren erfand der Halleiner Rudolf Lettner die Stahlkante und ließ diese patentieren.
Das Unternehmen Atomic
Auch in Großarl absolvierte ein Bergbauernbub seine Ausbildung zum Wagner. 1955 gründete der damals 23-jährige Alois Rohrmoser das Un- ternehmen Atomic, auf dessen Skiern bis heute die weltbesten Rennläufer aufs Stockerl rasen. Allen voran der Salzburger Doppelolympiasieger und achtfache Weltcupgesamtsieger Marcel Hirscher aus Annaberg.
Holz als Basis – damals und heute
Eine Konstante, die bis heute geblieben ist, ist das Holz, das auch in Marcel Hirschers Rennskiern steckt und als gewachsener Werkstoff über unschlagbare Vorzüge verfügt. „Vereinfacht kann man sagen, je hochwer- tiger und teurer ein Ski ist, umso eher steckt in ihm ein Holzkern“, erklärt Herbert Buchsteiner, Director Business Unit Alpin Ski&Binding bei Atomic. „Kaum zu glauben, aber man kann mit Holz leichtere Ski bauen als mit einem Schaumkern. Holz sorgt für Festigkeit und Stabilität.“ Bei Atomic wird viel getüftelt: Nicht eine Holzsorte, sondern mehrere – Buche, Esche, Pappel und Karuba – werden in unterschiedlicher Weise kombiniert. Hinzu kommen moderne Materialien wie Karbon, Glasfasermatten, Titanal, Polyamid für Belag und Oberfläche sowie Stahl für die Kanten. „Im mo- dernen Skibau will man Ski mit verschiedenen Charaktereigenschaften“, so Herbert Buchsteiner. „Ein Ski kann leicht und dabei spritzig oder leicht und extrem sportlich mit viel Rebound sein. Oder er ist schwerer mit guten Dämpfungseigenschaften. Die Möglichkeiten sind vielfältig.“
Skirennläufer sind vor allem Gefühlsmenschen: Sie spüren jede kleinste Nuance, die ihnen der Ski zurückmeldet. Marcel Hirscher und sein Vater Ferdinand sind echte Meister darin. Skifahrer, die vor allem den Genuss suchen, setzen auf moderne Entwicklungen, die für einfache Schwungein- leitung und enorme Drehfreudigkeit stehen. Auch Hans Müller fährt so einen Ski, weil es ihm heute um nichts anderes mehr geht, als um den reinen Genuss. Der älteste Ski aus Salzburg stammt aus dem Jahr 1870, und auch er hat seinen Platz im Skimuseum gefunden. Obwohl auf den ersten Blick wenig Ähnlichkeit zwischen ihm und den modernen Latten besteht, haben sie dennoch Gemeinsamkeiten: Sie stehen für Spaß im Schnee, für Freude an der Bewegung und für unvergessliche Momente in den Bergen. Und noch was: Sie haben beide ein Herz aus Holz!