Braucht es heute noch einen Fassbinder? Unbedingt! Wer den Fassbindermeister Engelbert Sampl trifft, der begreift auch schnell warum. In seiner Werkstatt in Unternberg im Lungau produziert er nachhaltige, langlebige und hochwertige Holzfässer. Und das mit einer solch außerordentlichen Leidenschaft, dass es schon beim Zusehen eine Freude ist.
Einer der letzten Fassbinder im SalzburgerLand
Als ich die Werkstatt von Engelbert Sampl betrete, empfangen mich herrlicher Holzduft, Fässer von klein bis groß und ein gleichmäßig schleifendes Geräusch. Ich entdecke den Fassbindermeister schließlich am hellen Arbeitsplatz neben dem Fenster – oder besser gesagt: seine Beine. Denn der Oberkörper steckt gerade in einem überdimensionalen Holzfass und bewegt sich gleichmäßig vor und zurück, während am anderen Ende dicke Spänekringel zu Boden fallen. „Das wird eine Holzbadewanne, die im Sommer auf eine Almhütte ziehen darf“, ertönt es aus dem ovalen Gebinde.
Früher gab es in jedem Ort zwei bis drei Fassbinder. Heute kann man die Fassbinder, die dieses Handwerk gewerblich ausüben, an einer Hand abzählen. Im SalzburgerLand sogar an nur einem einzigen Finger. Engelbert Sampl ist dem Handwerk seiner Vorfahren treu geblieben – und hat keine Sekunde seines Lebens damit gehadert.
Der Lohn: Butterkugeln und Schweinespeck
Obwohl noch immer sehr viel Knochenarbeit daran hängt bis aus den Lärchenholzstämmen vom heimischen Wald ein fertiges Surfass entsteht, erinnert sich Engelbert Sampl mit Respekt an die ausgefüllten Arbeitstage seines Großvaters: „Bevor mein Großvater diese Werkstatt hier errichtete, war er auf der Stör und zog von Hof zu Hof, um kaputte Fässer zu reparieren.“ Eine anstrengende Arbeit, die jedoch mit einem begehrten Lohn verbunden war: Oft bekam er Butterkugeln oder Geselchtes aus dem Holzfass mit auf den Heimweg. Sehr zur Freude der Daheimgebliebenen.
Anfang der 60er-Jahre übergab der Großvater den Betrieb an seinen Sohn, den Vater von Engelbert Sampl. Neben der Fassbinderei gehörte ihnen auch eine Landwirtschaft mit Wald, die heute als Mutterkuhhaltung betrieben wird. Das war wichtig, denn: „Unser Lebensunterhalt wurde mal mehr von der Landwirtschaft, mal mehr von der Fassbinderei getragen.“ Riesige Aufträge erreichten die Sampls in den 70er-Jahren und zwar buchstäblich, denn sie wurden mit der Produktion von Gärfutter-Silos betraut. Durch die Einführung der Silofolien wurden die hölzernen Hochsilos jedoch immer weniger nachgefragt und es war Zeit, wieder mit dem Markt zu gehen. Ein Grundsatz, der nicht neu ist, sondern den Betrieb seit mehreren Jahrzehnten aufrechterhält.
Ein Fassbinder muss mit dem Markt gehen
Mit der klassischen Fassbinderei allein wäre sein Betrieb nicht ausgelastet. Deshalb arbeitet Engelbert Sampl mit regionalen Firmen zusammen, die regelmäßig Stiegensprossen oder Schaffln und Mühlenräder für Wasserspielplätze bei ihm anfordern. Und auch wer sich für den Garten schöne Möbel wünscht, ist bei ihm an der richtigen Adresse: Tische und Sitzgarnituren, Gartenliegen, Holzbadewannen, Brunntröge und Hollywoodschaukeln entstehen ebenfalls in seiner Werkstatt. Lager existiert keines, alle Aufträge werden quasi für die Kunden maßgetischlert.
Der Fassbinder und die Hobel
So richtig ins Schwärmen kommt Engelbert Sampl, als er mir sein jüngstes Projekt präsentiert: ein Fischlagl – das ist ein Holzgebinde, in dem die geangelten Fische transportiert werden. Die Konstruktion mit Dauben und Eisenreifen ähnelt dem eines Fasses, statt auf das übliche Lärchenholz hat er hier aber auf das leichtgewichtigere Kiefernholz zurückgegriffen. Es ist das erste Mal, dass er diese Fischlagl anfertigte. Woher die Pläne dafür kamen? „Ich habe meinem Vater früher öfter dabei zugesehen und einfach aus der Erinnerung heraus zu werkeln begonnen,“ erzählt Engelbert Sampl gelassen, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Einer Laiin wie mir bleibt beim Anblick des perfekt ausgeführten Endproduktes einmal mehr der Mund offen stehen.
Technische Geräte unterstützen Engelbert Sampl heute bei seinem Handwerk, das wichtigste Arbeitsgerät ist und bleibt aber die Hobel. Eine davon stammt gar aus dem Jahre 1688 und diente schon seinen Vorfahren beim Glatthobeln der Fässer. „Ein Fassbinder schleift niemals, er hobelt nur,“ erklärt Engelbert Sampl die große Bedeutung dieses typischen Fassbinder-Werkzeugs. Damit das einwandfrei gelingt, ist allerdings eine akribische Vorarbeit notwendig: Fass für Fass wählt Engelbert Sampl aus dem richtigen Holz und schneidet daraus die passenden Dauben zu. Diese müssen sich millimetergenau aneinanderfügen und immer in dieselbe Faserrichtung zeigen. Entlang eines Eisenreifens werden diese dann einzig mit Kluppen als Hilfsmittel zu einem geschlossenen Fass zusammengesetzt. Anschließend wird die grobe Oberfläche glattgehobelt, der Boden eingesetzt und die Eisenreifen aufgezogen.
Seine langjährige Erfahrung und das enorme Wissen, das seit Generationen weitergetragen wird, bringt ihm Kund*innen aus dem gesamten DACH-Raum. Aber auch Interessenten aus Italien und anderen Nachbarländern kommen zu ihm, wenn sie ein hochwertiges Holzfass benötigen.
Fassbinderei: Ein Handwerk mit Zukunft?
In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein wieder eine größere Rolle spielen, merkt man da einen Auftragsaufschwung? „Ein großer Aufschwung ist noch nicht zu bemerken. Aber die Anfragen nach Holzfässern, die ja vollständig biologisch abbaubar sind, nehmen tatsächlich wieder etwas zu.“ Mit diesen Worten macht Engelbert Sampl Hoffnung, dass sich das Handwerk des Fassbinders auch noch über viele weitere Jahrzehnte fortsetzen wird.
Die Fortführung des eigenen Betriebes liegt zumindest in guten Händen. Sohn David absolviert gerade eine Doppellehre zum Tischler und Fassbinder. Gedrängt hat ihn sein Vater dazu nie. „Es war seine Entscheidung. Manchmal habe ich sogar bei mir selber gedacht, ob es nicht zukunftsträchtiger wäre, wenn er Polizist wird oder einen sonstigen Beruf erlernt. Ich habe mich auf alles eingestellt,“ erzählt Engelbert Sampl. „Aber nun freue ich mich umso mehr, dass unser Betrieb und vor allem dieses faszinierende Handwerk in die nächste Generation geht.“