Walter Müller ist Schriftsteller. Mit Leib und Seele. In mehr als 75 Gemeinden in allen Regionen des SalzburgerLand hatte er bereits Lesungen, Auftritte und Workshops, neben Städten wie Berlin, Bremen, München, St. Gallen oder Tallin. Auch als Trauerredner ist der gebürtige Salzburger vielen ein Begriff.
In diesen Trauerreden, die auch in Buchform erschienen sind, erzählt Walter Müller die Lebensgeschichten von Menschen aus Stadt und Land Salzburg. Wer schon einmal eine Abschiedsrede von Walter Müller erlebt hat, vergisst sie nicht mehr: sie berührt bis zum Grund der Seele, rüttelt wach und tröstet mit dem so wichtigen Augenzwinkern, das uns zeigt, dass es bei aller Trauer immer auch Hoffnung gibt. Walter Müller trifft stets die richtigen Worte, ob bei einer Trauerrede, zur Taufe oder bei der feierlichen Segnungsrede zur Hochzeit. Seine Geschichten sind einzigartig. Und so facettenreich und bittersüß wie das Leben selbst.
Wir durften uns mit dem freischaffenden Schriftsteller unterhalten. Ein Gespräch über seinen Beruf im Allgemeinen und das Leben im Besonderen.
Wann war dir klar, dass du Schriftsteller werden möchtest – gab es ein ausschlaggebendes Moment?
Eher spät, so mit 24. Schreiben wollte ich bald schon, aber eher journalistisch. Mein Traum wäre Sportreporter gewesen. Mit 13 hab ich mich ernsthaft bei einer Salzburger Tageszeitung um einen „Nebenjob“ (neben dem Gymnasium) beworben, als Berichterstatter von Fußball-Unterliga-Spielen und ähnlichem. Die Ablehnung (aus Altersgründen!) war schmerzhaft. Nach der Matura bin ich Kulturjournalist geworden, Kulturredakteur. Mit 24: erste Teilnahme an einem Literaturwettbewerb und gleich den 1. Preis bekommen. Okay, warum nicht hauptberuflich Schriftsteller werden? Fünf Jahre später hab ich beim Ingeborg-Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt, als literarischer Nobody, das Förderungsstipendium erhalten. Ab sofort war ich freischaffender Schriftsteller und bin es geblieben!
Was inspiriert dich?
Menschen, immer wieder Menschen, der ganz gewöhnliche Alltag, Spaziergänge, Busfahrten, Zugfahrten, Musik… von Gustav Mahler bis Keith Jarrett.
Hast du literarische Vorbilder?
Was Sprachkraft und Fantasie betrifft: H.C. Artmann, Johann Nepomuk Nestroy, Karl Valentin, Bob Dylan, der Schweizer Urs Widmer. Außerdem die Menschen-Geschichten-Erzähler wie Heinrich Böll, Günter Grass oder Stefan Zweig.
Was war dein bewegendster Moment als Literat?
Bewegend waren immer die Gespräche nach Lesungen aus meinem Buch „Die Häuser meines Vaters“, wenn Menschen mir von ihrer eigenen Vatersuche, von ihren komplizierten Familiengeschichten erzählt haben. Und mir nach Lesungen aus dem Trauerredenbuch („Wenn es einen Himmel gibt…“) ihre Erfahrungen beim Verlust ihrer liebsten Menschen anvertraut haben. Die Geschichten und die Offenheit mir gegenüber haben mich bewegt und berührt.
Apropos berührend: Du bist auch als Trauerredner in und rund um Salzburg aktiv. Wie kam es dazu?
Mit den Themen “Sterben, Tod, Gedenken, Abschied” hab ich mich eigentlich schon immer beschäftigt. Hab auch viel darüber geschrieben. Im Jahr 2003 wurde in Morzg der Verein der Freunde des Helga Treichl Hospizes (heute: Raphael Hospiz Salzburg) gegründet, um das stationäre Hospiz durch Öffentlichkeitsarbeit, Spenden-Akquirieren etc. zu unterstützen. Seit damals plane ich auch immer die Veranstaltungen unter dem Motto “Kunst & Leben im Hospiz”, moderiere sie, lese manchmal Texte, Gedichte, Geschichten. Bei einer der Veranstaltungen haben mich die drei liebenswerten Geschäftsführerinnen der Bestattung Jung angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, auch einmal eine Trauerrede zu halten. Ich hab mir das vorstellen können, es sind mittlerweile 400 Reden geworden.
Wo legst du in der Stadt Salzburg am liebsten eine Kaffeepause ein?
Bei mir ist es eher so: Wann leg ich zwischen den Kaffeehausbesuchen den normalen Alltag ein! Ich schreibe ja im Kaffeehaus. Da entsteht so ziemlich alles: Szenen für Theaterstücke, Gedichte, sogar Trauerreden. Ich schreibe immer alles zuerst in Notizbücher; daheim, beim Übertragen auf den PC, verändert sich natürlich noch einiges.
Aber allen Schreibens Anfang findet bei mir im Café statt. Im Café Bazar (ich hab ja auch ein Buch übers „Bazar“ geschrieben) und im Café Mozart. Also links und rechts der Salzach, täglich. Das ist mein so ziemlich einziger Luxus. Je mehr Menschen rundum, ich weiß: das klingt seltsam, umso besser kann ich mich konzentrieren. So entstehen im Sommer Weihnachtsgeschichten oder, zum fröhlichen Getratsche der anderen Gäste, ernste Texte. Ein Leben ohne Kaffeehäuser ist für mich nicht vorstellbar.
Verrätst du uns deine Lieblingsplätze in Stadt und Land Salzburg?
In der Stadt: das alte Nonntal. Und die Wege vom Nonntal in die Altstadt. Durch die Nonnthaler Hauptstraße und die Kaigasse oder über den Nonnbergweg, am Kloster vorbei, und über die Toscanini-Stiege hinunter mitten ins Herz der Stadt. Und dazwischen stehenbleiben und immer wieder diese unvergleichlichen Blicke auf meine Geburtsstadt genießen. Die Wege am Almkanal entlang oder um den Leopoldskroner Weiher… wenn ich nicht im Café sitze. Mein Kraftplatz, das magische Zentrum für mich: der Friedhof St. Sebastian. Ein kleiner Sidestep von der belebten Linzergasse – und schon ist man in einer anderen Welt. Mein Ort zum Atemholen, zum Zu-mir-Kommen.
Im Land Salzburg: Rauris und immer wieder Rauris. Zu jeder Jahreszeit. Zu den Literaturtagen oder einfach so. Mein „Bazar“ und „Mozart“ heißen dann „Platzwirt“ und „Andrelwirt“. Vor gut 25 Jahren bin ich zum Rauriser Marktschreiber (das war, ist ein literarisches Ehrenamt) erwählt und bin damals von Salzburg nach Rauris zu Fuß gegangen. Der Empfang war überwältigend: wie für einen Fürsten, mit Musik, Kindergedichten, einem fröhlichen Fest auf der Heimalm und vielen Vogelbeer-Schnäpsen!
Vielen Dank für das Gespräch.
Fotocredits: Walter Müller