Wunderschön und betörend muss sie wohl gewesen sein. Eine Frau, der die Männer regelrecht verfallen waren und die wusste, wie man auch die Mächtigsten unter ihnen ganz leicht um den kleinen Finger wickeln konnte. Und – was fast niemand weiß – sie lebte eine Zeit lang in Salzburg.
Virginia Hill war eine Femme Fatale, ganz ohne Zweifel. Doch sie bewegte sich in zwielichtigen Kreisen, war in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die Geliebte einiger der wichtigsten Mitglieder der ‚ach so ehrenwerten Gesellschaft‘ der USA und als Drogenschmugglerin oft mehr als mit einem Bein im Gefängnis. So weit so gut, doch Sie fragen sich sicher, warum Sie im SalzburgerLand Magazin über diese Dame lesen. Und nicht wie sonst über Berge, Seen und andere wunderschöne Dinge, die man hier finden kann. Ganz einfach: Denn die Hill war auch liebevolle Mutter und Ehefrau und lebte mit ihrem österreichischen Mann einige Jahre lang auf der Zistelalm oberhalb von Salzburg. Idyllische Jahre, die prompt enden sollten, als die kleine Familie vor der Mafia fliehen und sich im Unkener Heutal verstecken musste…
Chicago in den 1920er Jahren. Es herrscht die Prohibition. Die Mafia hat die Stadt fest im Griff und verdient jeden Tag ein Vermögen mit dem illegalen Handel von Alkohol und Drogen. In diesem Sumpf aus Verbrechen, Prostitution und nächtelangen, rauschenden Festen in den Nachtclubs beginnt die Geschichte von Virginia Hill, die einige Jahrzehnte später an einem kalten Frühlingsmorgen ihr trauriges Ende finden soll. Doch hier in Chicago ist sie die ganz große Nummer. Sie weiß sich zu bewegen, tanzend zu betören und die Männer aus den obersten Schichten mit Blicken gefügig zu machen. Unter ihnen ist auch Nat Coiner, der Buchmacherkönig und Finanzchef der Mafia Chicagos. Hals über Kopf verliebt er sich in die Hill und macht sie zu seiner Geliebten. Sie beginnt für die Mafia im Rauschgifthandel zu arbeiten und aus dem ‚Flamingo‘, wie Nat sie liebevoll nennt, wird schnell eine wohlhabende Frau. Prächtige Häuser in Acapulco, Mexico City, New York und natürlich LA, Freunde aus Hollywood, zügellose Partys, Pelze, Juwelen, schnelle Autos. Das Leben meint es gut mit ihr. Und als sie wenig später auch noch die Geliebte des Paten Bugsy Siegel wird, dem Mann, der Las Vegas gründete, scheint das Glück perfekt.
Die Schöne und der Typ aus den Bergen
Virginia Hill liebt es, sich im Jet Set zu vergnügen und dabei Neid und Bewunderung auf sich zu ziehen. Die Sommermonate über verbringt sie in den Städten und am Strand, im Winter trifft man sich auf den Pisten und in den Chalets der noblen nordamerikanischen Skiorte. Dort lernt sie auch einen der besten Skifahrer der Welt kennen. Hans Hauser ist Österreicher, von der Zistelalm am Gaisberg abstämmig und als Skilehrer der Reichen und Schönen in den USA tätig. Von ihm lernten, unter vielen anderen, auch der große Henry Ford und das Ehepaar Hemingway Skilaufen. Berühmt wurde er als erster Hahnenkammsieger im Slalom und in der Kombination, weshalb ihn sein Freund und Skipionier Otto Land mit nach Sun Valley nahm. Noch heute sprechen die Menschen davon, dass es wohl Liebe auf den ersten Blick war, als sich die beiden im Skikurs zum ersten Mal sahen. Eine wilde Romanze begann, die ihren ersten Höhepunkt in der Hochzeit 1950 nahm. Für die Braut, nach drei gescheiterten Ehen, der Ermordung Bugsy Siegels durch Unbekannte und ohnehin schon mit zweifelhaftem Ruf behaftet, sicherlich kein gesellschaftlicher Aufstieg. Doch sie will ihr Leben ändern, ist fasziniert von Hans und seiner Sicht der Dinge. Stundenlang lauscht sie seinen Geschichten aus den Alpen, den Skitouren in Unken und seiner Rennsiege in Kitzbühel, Bad Gastein und St. Johann. Im selben Jahr kam auch noch Sohn Peter zur Welt. Doch das ungetrübte Glück sollte nicht von langer Dauer sein.
Es wird eng
Im Jahr 1951 zieht sich die Schlinge um die Mafia immer enger zu. Und das heißt auch nichts Gutes für Virginia Hill und ihre kleine Familie. Als sie dann als Zeugin beim großen Kefauver-Prozess in New York City vorgeladen wird, gerät sie ins Fadenkreuz der Gentlemen. Doch sie weiß, was sie zu tun hat, und hält dicht. Wie es ihrer Natur entsprach, erzählt sie, die größte Gangsterbraut aller Zeiten zu sein, von den Machenschaften und Verbrechen ihrer ‚Bekannten‘ aber so gut wie gar nichts zu wissen. „I am the goddam best lay in the country!“ – mit diesen Worten rechtfertigt sie ihr damals beachtliches Vermögen im Kreuzverhör der Staatsanwälte. Hinter den Kulissen wird jedoch bis heute über hohe Summen spekuliert, durch die sich die Angeklagten Hills Schweigen teuer erkaufen müssen.
Doch auch wenn Dank der Mafia Hill und die Ihren erst einmal sicher zu sein scheinen, wird es jetzt erst richtig turbulent. Denn die Presse stürzt sich auf die Familie, schießt Bilder am laufenden Band und gräbt auch jedes noch so kleine Detail aus dem Leben der Dame und ihres ‚kleinen‘ Skilehrers aus den Bergen der alten Welt aus. An das normale, ruhige Leben, das sie sich so sehr wünschte, ist nicht zu denken. Als sie dann auch noch von der Steuerbehörde ins Visier genommen wird, folgt der überhastete Aufbruch und Umzug nach Europa. Nach Hause zu Hans‘ Mutter in die Zistelalm am Gaisberg.
Die Schwiegermutter ist streng, fordernd, Virginia bockig und für das Leben am Berg nicht geeignet. Sie nimmt den einzigen Ausweg, den sie kennt, steigt in ein Flugzeug und beginnt erneut für Nat Coiner, ihren alten Geliebten, zu arbeiten. Hans macht sich große Sorgen um seine Frau, kann sie jedoch nicht zurückhalten. Zu unterschiedlich sind ihre Leben, zu verschieden die Bedürfnisse und Wünsche. Während er sich ein ruhiges, bescheidenes Familienleben erträumt, will sie im Luxus baden und ein anerkannter Teil der Gesellschaft sein. Eine Trennung scheint unausweichlich.
Die Flucht beginnt
War Virginia Hill vielleicht früher die große Nummer in den USA, ist sie mittlerweile ein Niemand und kein Hahn kräht mehr nach ihr. Die Schönheit am Verblühen, die Jugend lange vorbei, droht sie Coiner, der seine Zahlungen einstellen will, mit der Veröffentlichung ihrer Memoiren. Und fliegt zurück nach Österreich. Der Schuss geht nach hinten los. Coiner reist sofort hinterher und beginnt nach Virginia zu suchen. Doch ein letztes Fünkchen Glück bleibt ihr noch und so schlägt der diensthabende Portier im Hotel Österreichischer Hof auf der Zistel Alarm, als sich ein ‚Ami‘ nach der jungen Familie erkundigt. Von jetzt an befinden sich Virginia Hill und die Ihren auf der Flucht.
Im Unkener Heutal, dort, wo Hans‘ Bruder am Fuße des Sonntagshorns eine Hütte besitzt, finden sie Unterschlupf. Hans liebt das Leben hier und auch Peter findet sich gut in den Bergen zurecht. Nur Virginia wird von Panik geplagt und traut sich kaum, das Haus zu verlassen. Sie ist wohl die Einzige, die weiß, wozu die Mafia im Stande ist. Hans hat überhaupt kein Verständnis und fährt nach nicht allzu langer Zeit zurück auf die Zistel, um seiner Arbeit nachzugehen. Seine Frau bleibt drei Jahre lang und setzt sich an den Schreibtisch, um tatsächlich ihre Geschichte auf Papier zu bringen. Oft sieht man sie nicht, nur manchmal, wenn es ihr in der Abgeschiedenheit der Alm zu eng wird, taucht sie plötzlich im Alpengasthof Heutal auf. Dann setzt sie sich zur Wirtin Maria Pichler in die Küche, trinkt Rotwein und erzählt einige Geschichten aus ihrem Leben.
Stilles Ende eines lauten Lebens
1966 wird es der Hill schließlich endgültig zu eng in ihrem Pinzgauer Versteck und sie verlässt das Heutal Richtung Salzburg. Ein letztes Mal. Denn jetzt begeht sie den größten Fehler ihres Lebens. Sie nimmt Kontakt zu Lucky Luciano und Joe Adonis auf, mächtige Manager der Cosa Nostra und ehemalige Geliebte Virginia Hills. Beide wurden in den 50er Jahren in den USA des Landes verwiesen und leben seither in Italien. Durch sie will die Hill wieder ins Rauschgiftgeschäft einsteigen, bittet darum bei einem persönlichen Treffen in Neapel. Doch die beiden wissen von den Erpressungsversuchen und der fertigen Biografie und setzen Jacky „Two Black Shoes“ Tadori, einen Freund von Adonis, auf Virginia an. In Salzburg setzt er sie über seinen Auftrag in Kenntnis, gibt ihr aber noch die Möglichkeit, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen, wenn sie innerhalb eines Tages die überreichten 20 Schlaftabletten nehmen würde. Eine Ehre innerhalb der Mafia, mit der großer Respekt ausgedrückt wird.
Damit ist das Schicksal Virginia Hills besiegelt. Dieses Mal kann sie ihren Hals nicht mehr aus der Schlinge ziehen. Ein letztes Mal trifft sie sich am 22. März 1966 mit ‚ihrem‘ Hans, besucht Peter, aktuell Liftboy im Österreichischen Hof. Als der Pensionist Franz Inzinger am nächsten Tag eine Person in der Nähe des Weges am Alterbach liegen sieht, glaubt er noch an einen Betrunkenen. Die Polizei verständigt er erst am nächsten Tag. Offizielle Todesursache: Selbstmord. Wie auch bei Hans, der nicht einmal zehn Jahre später erhängt in seinem Lokal in der Salzburger Innenstadt entdeckt wird. Der Versuch, ebenfalls mit den Memoiren Hills Kapital zu schlagen, bekam auch ihm nicht gut. Die Mafia versteht bei solchen Dingen einfach keinen Spaß…
Virginia Hill – Das mondäne Leben einer Gangsterbraut
Der Salzburger Autor Peter Blaikner widmet der legendären Virginia Hill sein im September 2022 erschienenes Buch.
©alle Bilder, außer wenn anders angegeben: Kalchofengut