Heute möchte ich der drückenden Sommerhitze entkommen und wo kann man das besser, als in der kühlen Nähe des wilden Wassers. Die Seisenbergklamm im idyllischen Bergsteigerdorf Weißbach bei Lofer ist das Ziel meines Ausflugs.
In der jüngsten Eiszeit formten riesige Gletscher das Salzburger Saalachtal zu dem heutigen Trogtal. Mit der einsetzenden Eisschmelze schürfte sich der Weißbach seinen Weg durch das Felsgestein. So entstand über Jahrtausende das imposante Naturdenkmal Seisenbergklamm.
Mein Auto parke ich im Ortszentrum und wandere entlang des Wasserlaufs hinauf zum Eingang der Klamm. Nur wenige Minuten dauert dieser Spaziergang, bei dem ich die Kletterer und Nutzer der Klettersteige entlang der „Weißbacher Platte“ beobachten kann. Beim Eintreten in die Klamm höre ich schon das wilde Sprudeln des Baches. Die mächtigen Kräfte des Wassers haben sich seit der letzten Eiszeit vor rund 12.000 Jahren hier ihren Weg durch den harten Kalkstein gegraben und dieses beliebte Ausflugsziel erschaffen. Die eben noch schwüle Luft wird mit jedem Schritt hinein in die Klamm frischer und kühler. Ich spüre, wie die Trägheit der Hitze von mir abfällt und beschwingt betrete ich die hölzernen Stege.
Lebensraum Schluchtwald
Auf Informationstafeln lese ich Wissenswertes über das Biotop Schluchtwald. Das immerfeuchte Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit und kaum Sonnenlicht in der Klamm bietet seltenen Pflanzen und Tieren einen optimalen Lebensraum. Rund um mich wird es grün wie in einem Dschungel und je enger die Schlucht wird, desto lauter und wütender tost das Wasser unter mir. Vorbei an mystisch wispernden Wasserfällen und hoch über dem wild sprudelnden Wasser führt der Weg über 600 m Länge hinein in die Klamm. Im Flussbett unter mir entdecke ich immer wieder Kolke. Diese kreisrunden Strudeltöpfe wurden über tausende Jahre von der unbändigen Kraft des Wassers aus dem harten Fels herausgespült.
Transportweg der Holztrifter
Um 1831 nutzten Holzknechte die Seisenbergklamm, um die oberhalb des Klammausgangs gefällten Holzstämme über den Wasserweg ins Tal zu transportieren. Entlang des verwinkelten und engen Wasserlaufs stachen die Holztrifter mit langen Triftstangen ins Wasser, um verkeilte Stämme freizubekommen und fortspülen zu lassen. Für diese gefährliche Arbeit zimmerten sie hölzerne Stege in die engen Schluchten. Die Fundamente dieses ursprünglichen Holztriftwegs sind von den neuen Steganlagen aus noch sichtbar. Diese Arbeit war übrigens so gefährlich, dass nur unverheiratete Männer als Holztrifter arbeiten durften.
Wo der Klammgeist munter poltert
Nach dem ersten Teil der Wanderung scheinen die Felswände noch etwas enger zusammenzurücken und das Wasser noch lauter zu tosen. Der Abschnitt, der nun vor mir liegt wird die „Dunkle Klamm“ genannt. Im dämmrigen Licht muss ich schon ab und zu Kopf und Schultern einziehen, um durch die engen Felsdurchgänge zu schlüpfen. Es kommt mir die Sage vom Klammgeist in den Sinn und ich kann gut verstehen, dass die alten Holztrifter bei ihrer Arbeit vom Poltern des Wurzelgeists erschreckt wurden. Der Legende nach hörten die Triftknechte im Tosen und Brausen des Wassers öfters eine dumpfe Stimme, die gerufen haben soll: „Holt`s mi aussa, holt`s mi aussa!“ – gefolgt von einem lauten Poltern. Als sich dann in der dunklen Klamm eine Baumwurzel mit armdicken Wurzeln, die einem Lebewesen ähnelten, verfing, dauerte es Tage, bis diese mit den Triftstangen aus der Klamm entfernt war. Doch beim nächsten Unwetter wurde die Wurzel bis zum Pfarrhof geschwemmt. Der Pfarrer besprengte sie mit Weihwasser und befahl seinem Knecht, sie zu zerkleinern. Trotz aller Mühe gelang es dem Mann aber nicht, das harte Holz zu teilen. Als er am nächsten Tag mit mehreren Männern zurückkam, war die Wurzel verschwunden. Es hieß fortan, das Weihwasser habe den Wurzelgeist erlöst.
Am höchsten Punkt der Klamm angekommen, mache ich in einem schattigen Wald eine kurze Rast und genieße die Ruhe. Danach schultere ich wieder meinen Rucksack um über einen gemütlichen Waldweg und die Hirschbichler Landesstraße zurück in den Ort zu wandern.
Fotos © Edith Danzer