Wer in der größten Bike-Region Österreichs aufwächst, hat wohl ein wenig Kettenöl im Blut. Wenn die Eltern dann auch beide noch selbst leidenschaftliche Freerider sind, ist die Genetik möglicherweise vorprogrammiert. Und wenn die Family-Homebase, das elterliche Spielberghaus, auf 1.311 Metern Seehöhe liegt und Papa rund um die Hütte Pumptrack und Trainingstrails für den Sprössling zaubert, dann ist die Basis für ein Leben im Sattel gelegt. Doppelweltmeisterin Valentina „Vali“ Höll aus Saalbach hat mit 22 Jahren alle Titel geholt, die es in ihrem Sport gibt – trotzdem ist sie ziemlich geerdet und bodenständig geblieben und lädt auf den Trails rund um Saalbach Hinterglemm gerne mal ihre Akkus mit Freunden abseits des Renn-Geschehens.
Raketenstart zur Doppelweltmeisterin
Mit drei Jahren rollte Vali in ihrem Heimatort Saalbach bei den Word Games of Mountainbiking zum ersten Mal über die Ziellinie. Mit 13 Jahren wurde sie jüngste Teamfahrerin bei YT-Industries und mit 16 folgte ihre erste Saison als Juniorin im UCI MTB Downhill Weltcup. Mit Seriensiegen und dem Sahnehäubchen des ersten Platzes bei der WM in Lenzerheide war klar – hier rast unaufhaltsam ein einzigartiges Bike-Talent heran. Nach einer Verletzung bei der Heim WM 2021 – erstmals in der Elite-Klasse – folgte eine Zwangspause, aus der die sympathische und ehrgeizige Saalbacherin noch stärker hervorging. Es folgte der erste Gesamt-Weltcupsieg, ein Weltmeister-Titel. In der Saison 2023 wartete der lang ersehnte Weltcupsieg auf der Heimstrecke in Leogang und ein Traum-Saisonfinish als Gesamt-Weltcup-Siegerin und Weltmeisterin.
Energietankstelle Alm
Längst ist sie nicht mehr der Newbie der Szene, sondern ein arrivierter Profi – eigentlich schon eine Marke. Mit starker Persönlichkeit und strahlendem Lachen unterm Helm ist sie als Österreichs erfolgreichste Radsportlerin heute ein Vorbild für viele junge Downhill Talente. Wann immer Training, Rennkalender und Studium es zulassen sieht sie auf einen Sprung in ihrer Heimat Saalbach vorbei. „Eine Runde über die Trails im Glemmtal und einer Einkehr auf eine der Almhütten mit meinen Freunden verbindet mich ganz stark mit dem ’normalen Leben‘. Dabei tanke ich Energie und auf den besten Trails Europas, wie dem Hacklbergtrail oder dem Bergstadltrail, kann ich ganz nebenbei auch anspruchsvolle Trainings absolvieren.“
Flowiger Genuss
Von der Homebase Spielberghaus nimmt sie den Höllen-Trail direkt vor der Haustür in Angriff und rollt dann ganz gemütlich über den schattigen Forstweg, auf dem sich im Winter die Rodler tummeln, ins Zentrum von Saalbach und zur Talstation des schattbergXpress. Mit der Gondel geht´s zum Schattberggipfel und über einen kurzen Anstieg am Endurobike weiter zum Westgipfel. Hier hat sie die Wahl: Naturbelassener Hacklbergtrail oder technisch anspruchsvoller Bergstadltrail? Heute soll es der Hacklbergtrail – wohl einer der schönsten Singletrails der Region – sein. Mit viel Flow geht es über den langen Grasrücken in Wellen durch blühende Almwiesen, vorbei an kleinen Seen und vorbei an der Hacklberger Alm. Auf dieser urigen Almhütte treffen sich Wanderer und Biker für eine kleine Stärkung. Doch für Vali Höll und ihre Freunde wartet vor einer Einkehr noch der zweite Teil des Hacklbergtrails, der durch den Wald hinab bis zum Bergstadl auf 1.500 m Seehöhe führt.
Einkehr im Bergstadl
Hier auf der großen Sonnenterrasse der Familie Hasenauer lassen sich Vali Höll und ihre Freunde nieder. Eine herrliche Aussicht – die sie, so bestätigt Vali, immer noch dankbar wahrnimmt, auch wenn sie mit diesem herrlichen Panorama als täglicher Begleiter aufgewachsen ist. Und schon steht regionale und großteils hausgemachte Stärkung am Tisch: Frisch gebackenes Brot, feinste Produkte von den eigenen Hochlandrindern, Zackelschafen und Durocschweinen wie Bergstadl-Wurzen (kleine Hartwürste), Grammelschmalz, Streichwurst und Speck. Zugreifen, genießen, plaudern, lachen, Sonne ins Gesicht scheinen lassen und einfach mal nur eine junge Bikerin unter Gleichgesinnten und Freunden sein.
Über den Buchegg-Trail geht es hinunter ins Tal und weiter mit der Reiterkogelbahn auf den nächsten Bike-Berg des Glemmtals. Pro-Trail, Blue-Line und dann wieder rauf mit der Bahn, um ein paar Höhenmeter hinaufzutreten. Zwischen Kühen, den friedlich grasenden Bergstadl-Hochlandrindern, und zufrieden wiehernden Pferden geht es vorbei am Heilkräutergarten zur Reiteralm und über einen wunderschönen Singletrail zwischen Almrausch und Schwarzbeersträuchern weiter zum Bernkogel und hinunter in den Spielberggraben. Ein stilles Almgebiet an einem bei Mountainbikern beliebten Verbindungsweg ins benachbarte Fieberbrunn, weite, grüne Almweiden, gesäumt von dichtem Fichtenwald. Hier schmiegt sich das Spielberghaus von Sabine und Walter Höll an die Bergweiden. Bevor es allerdings zum Aprés-Bike auf die Sonnenterrasse geht, wird die Tour mit einer Runde durch den Pumptrack beendet. „Der Rest-Tag wird chillig!“ – versprechen sich die Freunde und ab geht’s in den Liegestuhl.
Mit Blick auf den Schattberg, wo der Bike-Tag für Vali Höll und ihre Freunde heute begann, dampfenden Kaiserschmarrn und Kasnockn in gusseisernen Pfandln am Tisch, der Hintergrundmelodie der Glocken grasender Kühe im Ohr, und einigen Höhenmetern in den Wadeln lässt es sich herrlich entspannen. Auch für Bike-Profis!