Die Biketour startet Hermann Ellmauer direkt im Ortszentrum von Rauris, wo er das Appartementhaus Renate führt. Durch die verkehrsberuhigten Straßen des malerischen Ortskerns geht es im Handbike taleinwärts Richtung Wörth. Während wir vor der Nationalparkausstellung „König der Lüfte“ ins Seidlwinkl-Tal abzweigen, erzählt Hermann Ellmauer von seinem sportlichen Werdegang.
Vom Unfall zum Weltmeister
Durch einen Motorradunfall mit 18 Jahren querschnittgelähmt, nahm Hermann Ellmauers Leben plötzlich einen anderen Lauf. Zwar schloss er nach der Reha-Zeit seine begonnene Metzgerlehre noch mit der Gesellenprüfung ab, machte dann aber die Berufsreifeprüfung und absolvierte die Studien Behindertenpädagogik sowie Mediation und Konfliktmanagement. „Als angehender Metzger war der Sport vor dem Unfall eher im Hintergrund. Da war die Arbeit im Fokus. Durch den Unfall sind meine Lebensstrukturen erst einmal komplett zusammengebrochen, doch rückblickend hat jeder Nachteil auch einen Vorteil. Der Unfall hat mir eben auch meine sportliche Karriere ermöglicht. Ich entdeckte den Basketballsport für mich und war einige Jahre im Nationalteam. Mein Kumpel, Andi Kapfinger, ein ehemaliger Snowboarder und Extremrider, der nach einem Snowboardunfall ebenfalls im Rollstuhl sitzt, brachte mich dann zu meiner ersten Fahrt im Bob.“
Wir rollen in gemütlichem Tempo hinein in das Tal der Säumer, vorbei am Parkplatz Fleckweide auf einem wunderschönen Almweg – heute steht keine Trainingseinheit an, sondern eine regenerierende Ausfahrt. Gottseidank, denn das ermöglicht es uns zu plaudern. Der Weg, auf dem wir biken ist eine uralte Handelsroute. Sie führte einst die Säumer mit ihren Pferden über den Rauriser Tauern in den Süden. Aus dem ehemaligen Goldgräberzentrum Rauris wurde Gold und Salz nach Italien gebracht – zurück kamen die Säumer mit Wein.
Während wir entlang der Seidlwinkl-Ache durch das malerische und sehr ruhige Seitental radeln, erzählt Hermann von seiner ersten Bob-Fahrt: „Ich hatte die ersten zehn Fahrten lang richtig Angst. Aber dann war es nur noch befreiend. Im Bob spürte ich mich und dass ich am Leben bin. Diese Herausforderung brauchte ich und ich stieg in den Bobsport ein – 2017 folgte mein Weltcup Debüt. Es wirken bei der hohen Geschwindigkeit enorme Fliehkräfte in den Kurven und neben körperlicher Fitness sind dabei auch mentale Stärke und Konzentration gefragt. Eine Fahrt mit etwa einer Minute fordert wie drei Stunden Langlaufen. Das erfordert ein Ganzjahrestraining, aber auch Regeneration. Denn neben der sportlichen Belastung gehen auch die vielen Reisen zu den internationalen Renn-Destinationen an die Substanz.“
Die Seidlwinkl-Ache sprudelt munter neben uns dahin und ein tosender Wasserfall schickt uns feinen Wassernebel als willkommene Abkühlung bei unserer Fahrt. Dank 300 natürlicher Quellen, Wasserfällen und kristallklaren Gebirgsbächen hier im Nationalpark Hohe Tauern trägt das Raurisertal den Beinamen „Tal der Quellen“. Mit seiner Lebensgefährtin Yvonne ist Hermann Ellmauer in seiner Heimatgemeinde auch gern zum Wandern unterwegs. Unterstützt wird er dabei vom „Vario Drive“, wie er erklärt: „Das ist ein motorisiertes Zuggerät, dass vor den Rollstuhl gespannt auch steilere und holprige Anstiege ermöglicht.“ Und dann taucht es vor uns auf, das urige Rauriser Tauernhaus auf 1.526 m Seehöhe. Das abgewetterte Holz verrät, hier steckt Geschichte und mit Sicherheit auch ganz viele Geschichten drin. Über 500 Jahre alt ist das Haus und diente einst den Säumern als Stützpunkt auf ihrem langen Weg nach Italien. Hier wurden sie bewirtet, Verletzungen versorgt und erhielten Herberge, bevor es am Saumpfad über den Bluter Tauern (dem heutigen Hochtor an der Großglocknerstraße) nach Heiligen Blut ging.
Fleischkrapfen füllen Energiespeicher
Säumer gibt es schon lange nicht mehr, doch noch immer sorgen die Hüttenwirte im Tauernhaus für die kulinarische Versorgung der Gäste. Eigener Käse, Würste und Speck – ergänzt mit Produkten aus dem Raurisertal. „Hier wird unglaublich gut gekocht. Du musst unbedingt die Fleischkrapfen mit Sauerkraut probieren!“ Das mach ich gern und auf der gemütlichen Terrasse lassen wir uns die selbstgebackenen Krapfen schmecken. „Das Radeln hier herein ins Seidlwinkltal hat für mich etwas Meditatives. Unter dem Motto ,Pedalieren und Sinnieren‘ kann ich dabei total abschalten und runterkommen. Gern bleibe ich dann abends noch ein wenig hier am Tauernhaus und genieße die menschenleere Stille. Das lädt die Akkus ungemein.“ Während wir wieder gemütlich aus dem Tal radeln, plant Hermann Ellmauer schon seine nächste Ausfahrt. Mit Lebensgefährtin Yvonne oder Freunden ist der Pinzgauer Para-Sportler in den Sommermonaten viel auf den Salzburger Almen unterwegs. „Mit dem Handbike oder dem Vario-Drive ist mir vieles möglich und ich liebe ohnehin die Herausforderung. Die Almenwelt des SalzburgerLands bietet mir viele Trainingsrouten. Eine gute Vorbereitung für die weiteren sportlichen Ziele, die ich mir im Bobsport gesteckt habe!“