Ich will raus in die Natur! Doch an die Fensterscheibe prallen dicke Tropfen. Der Wetterbericht hat das Regenwetter angekündigt, und trotzdem lasse ich mir meinen Bewegungshunger nicht nehmen. Ich halte es mit Karl Valentin, der meinte: „Ich freu mich, wenn es regnet! Denn, wenn ich mich nicht freue, regnet es trotzdem!“ Also schnüre ich lachend meine wasserundurchlässigen Wanderschuhe, werfe den Regenponcho über den geschulterten Rucksack und trete hinaus vor die Tür. Die Luft ist frisch und klar, aber die Berge des Salzburger Saalachtals verstecken ihre Gipfel in dicken, grauen Wolken. Doch heute zieht es mich ohnehin nicht in luftige Höhen – vor mir liegt eine Talwanderung entlang der Saalach von Lofer über Scheffsnoth bis St. Martin.
Der Felsblock und der Teufel
Während ich aus dem Zentrum von Lofer hinauswandere umhüllt mich feiner Nieselregen. Wie ein zarter Film legt sich der Sprühregen auf mein Gesicht und jagt die letzte Müdigkeit aus der Haut. Der Weg führt mich über den Teufelssteg. Ein imposantes Holzbauwerk, das über einen großen Felsblock, direkt über die wild gurgelnde Saalach führt. Ich erinnere mich an die Sage über den Teufelssteg: „Vor langer Zeit hatte ein Mann seine Seele an den Teufel verkauft. Kurz vor seinem Tod besann er sich aber und machte sich auf den Weg zur Kirche. Der Teufel wollte ihm nachjagen, doch ein Hochwasser versperrte ihm den Weg über die Saalach. Also schleuderte er einen großen Felsblock in die Mitte des Flusses, um ihn mit zwei riesigen Sätzen zu überqueren.“ Lange blicke ich hinunter auf den Felsen, der das durch den Regen noch wilder tosende Wasser teilt. Feine Nebelschwaden, die an der steilen Uferböschung festhängen, erzeugen eine mystische Stimmung und mir ist, als könne ich das hämische Lachen des Teufels im Poltern der Saalach unter mir hören. Über meine eigene Phantasie lachend marschiere ich weiter und wende mich nach der Brücke rechts. Hier geht es direkt am Saalachufer entlang bis zum Hubertussteg.
Auch Kajakfahrern ist der Regen egal
Etwa 500 Meter ist dieser Flussabschnitt der Saalach lang. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus und lege hier etliche Pausen ein – der Grund dafür: Im Wasser tummeln sich einige Kajakfahrer, die sich geschickt durch Slalomstangen kämpfen. Auch ihnen ist das Regenwetter egal, denn die Tropfen von oben vermischen sich mit dem spritzenden Wildwasser.
Ich ziehe weiter und als ich den Wasserlauf der Saalach verlasse und auf das Scheffsnother Dorf zuwandere, wird mir plötzlich klar, dass eine Regenwanderung einen überraschenden Vorteil bietet. Bei klarem Wetter würde ich mich jetzt wahrscheinlich nicht von den felsigen Flanken der Loferer Steinberge sattsehen können. Mein Blick würde in die Ferne schweifen. Heute aber, die Berge sind ja nicht zu sehen, fokussiert sich meine Aufmerksamkeit auf das Naheliegende, und ich nehme jedes Detail der Fauna und Flora entlang der Saalach in mich auf. Fast kann ich die Jubelschreie der kleinen Pflänzchen hören. Für die Natur ist Regen eine pure Erfrischungskur und die Luft ist reingewaschen von Staub und Pollen.
Abstecher in die Strohwollner Schlucht
Mitten in dem kleinen Bauernweiler von Scheffsnoth steht ein Brunnen, und nur zu gerne stille ich hier am reinen Quellwasser meinen Durst. Während ich das kühle Wasser genieße, bewundere ich die wunderschönen Bauernhöfe ringsum. Üppiger Blumenschmuck ziert die alten Holzbalkone und auch die kleinen Bauerngärten quellen über vor bunter Blütenpracht.
Über einen Wanderweg kehre ich nun wieder zur Saalach zurück und bin überrascht, wie ruhig das Wasser auf diesem Flussabschnitt ist. War die Saalach eben noch wild und ruppig, so zeigt sie sich hier entspannt und zahm. Ich wandere Richtung Strohwolln, am Campingplatz Grubhof vorbei und entschließe mich spontan zu einem Abstecher in die Strohwollner Schlucht. Durch den Regen ist diese Klamm noch imposanter als an trockenen Tagen und ich genieße den Ausblick von den Holzstegen auf das wild schäumende Wasser. Etwa 40 Minuten brauche ich für den Aufstieg durch die Klamm und kehre über einen Wanderweg wieder retour. Die Regentropfen werden nun schwerer und der Nieselregen geht in den berüchtigten Salzburger Schnürlregen über. In St. Martin lasse ich daher die Kneippanlage diesmal links liegen, denn kaltes Wasser an den Beinen wäre heute wohl zuviel des Guten.
Retourweg durchs Moor
Von St. Martin führt mich mein Rückweg entlang des Moosbachs. Hier wird immer noch Torf gestochen, der im Gasthof Hochmoos für heilsame Moorpackungen verwendet wird. Durch das Gumpinger Moos mit seinen vielen kleinen Heustadeln kehre ich nach Lofer zurück. Langsam lichten sich nun die Wolken und sogar der eine oder andere Sonnenstrahl findet seinen Weg durch den abklingenden Regen. Ich fühle mich belebt durch diese Wanderung und freue mich nun auf eine Einkehr mit deftigen regionalen Spezialitäten. Doch zuvor muss ich unbedingt noch etwas erledigen, das mich schon die gesamte Wanderung reizt. Ich nehme Anlauf und springe mit einem Juchitzer beidbeinig in die größte Regenpfütze am Weg vor mir. Eine Wasserfontäne spritzt rund um mich auf und ein vorbeikommender Radfahrer lacht wissend: „Innen drin bleiben wir immer noch das Kind, das den Regen wegen der Pfützen liebt!“