Alex Diess ist ein echter Familienmensch. Das wird bei unserem Video-Interview schnell klar. Er sitzt am Esstisch seines Elternhauses, sein Vater Richard an seiner Seite. „Ich bin in einer Skispringer-Familie aufgewachsen. Mein Vater war Oberösterreichischer Landesverbands-Trainer – da wurde uns das Skispringen in die Wiege gelegt. Hinter unserem Haus machten meine Schwester Sonja und ich schon mit drei Jahren erste weite Sprünge auf selbstgeschaufelten Schanzen – und ganz ehrlich, hätte es damals schon das Damen-Skispringen gegeben, sie wäre vorn dabei gewesen, denn sie sprang meist weiter als ich.“
Der „Lauser“ mit dem „roten Blitz“
Prompt winkt die Schwester aus dem Hintergrund in die Kamera und lacht bestätigend. Auch Mama Greti lugt neugierig ums Eck und meint lachend: „Ich hab immer geglaubt an den Bub, doch er war auch a richtiger Lauser!“ Die Skisprung-Familie Diess zog mit dem „roten Blitz“ – einem feuerroten Bus – von Rennen zu Rennen. Mit an Bord auch einer der bekanntesten österreichischen Skispringer – Andreas Goldberger. Richard Diess gilt als Entdecker von „Goldi“ und Alex meint: „Ich wuchs im Schatten von Goldi auf, denn ich selbst startete erst im zweiten Anlauf richtig durch. Die Entscheidung, nicht ins Skigymnasium zu gehen, war sportlich gesehen ein Fiasko – alle anderen zogen durch die vielen Trainingsmöglichkeiten schnell an mir vorbei und ich war chancenlos. Bei meinem Psychologiestudium kam ich nach Rif, um dort zu trainieren. Ich durfte bei den Spitzensportlern mittrainieren und startete mit 20 als Spätberufener meine ÖSV–Karriere. Mit einem 14. Platz am Kulm holte ich mein bestes Weltcup-Ergebnis und meine Leidenschaft fürs Skifliegen gab mir Motivation.“
Vom Skispringer zum Trainer & Adlerküken-Hüter
„Doch mit 22 Jahren beendete ich meine Karriere und mein Vater holte mich (unter einem Vorwand) auf die Trainerseite. Als ich die leuchtenden Kinderaugen sah, war mir klar, dass das meine Berufung war. Ich schloss ein Sportstudium ab und 1998 nahm mich der ÖSV als Trainer unter Vertrag“, erzählt er, während Vater Richard zustimmend nickt. Seit einigen Jahren betreut Alex Diess mit viel Herzblut das Projekt „Flying Kids“ im Sportzentrum Rif, wo auch Spitzensportler wie Stefan Kraft trainieren. Mit dem Knowhow von Vater Richard wurde 2018 eine Kinderschanze erbaut auf der heute rund 25 Kinder von sechs bis 13 Jahren ein perfektes Trainingsumfeld finden. „Dank der Unterstützung von Sponsoren und dem Skiclub Bischofshofen können wir den Kids das Material zur Verfügung stellen. Wer weiß, welche Rohdiamanten unter den hier heranwachsenden Adlerküken schlummern.“
Beißen und Regenerieren
Schnürte er als Kind noch gern mit der ganzen Familie in Oberösterreich die Wanderschuhe, so ist Alex Diess heute viel lieber mit dem Mountainbike auf den Salzburger Almen unterwegs. „Noch ohne Motor“, betont er, denn er will sich auf dieser Bikerunde durchaus ein wenig anstrengen. „Aber da der Sommer am Stützpunkt eine sehr intensive Zeit ist, bleibt wenig Freiraum für ausgedehnte Wanderungen. Da spring ich lieber aufs Radl. Ich starte direkt von Rif und fahre über die Wiestalstraße über die Spielbergalm zur Bergalm am Fuße des Regenspitzes in St. Koloman. Diese Alm entdeckte ich für mich vor etwa 15 Jahren bei einer Kinderwagen-Wanderung mit meiner Frau und den Kids. Ein wunderschönes Fleckerl, zu dem es mich seither immer wieder zieht. Für die große Runde muss ich schon ein wenig beißen, doch die schöne Aussicht hinter den sanften Almböden und die gute Jause lohnt für die Anstrengung.“ Familie Walkner tischt auf der über 300 Jahre alten Almhütte selbsterzeugte Almprodukte wie Kaspressknödel, Fleischkrapfen oder selbstgemachte Pofesen auf.
„Bei mir steht eine Brettljause mit alkoholfreiem Weizenbier am Tisch! Nach ausgiebigem Krafttanken auf der Bergalm radle ich zurück über St. Koloman und beende diese Biketour mit fast 60 Kilometern am Tacho. Eine Almtour, die kraftzehrend ist und doch die Akkus füllt. Denn dort oben in der Natur, mit der wunderbaren Aussicht aufs Gennerhorn und den Schmittenstein kann ich gut Regenerieren und mich für die nächsten Herausforderungen erholen. Ich gehöre wohl zu den wenigen Leuten, die nicht die Karriereleiter hinauf, sondern zurück an die Basis wollten. Hier kann ich perfekt mit Leuten arbeiten und mich meinem Herzensprojekt, den ,Flying Kids Rif‘, widmen.“