© SLTG, Altes Handwerk: Schindlmachen

Vom Holzfällen, Schindelmachen und Muaskochen

Das Kalchofengut im Salzburger Saalachtal

Es sind spannende und wundersame Geschichten und Erinnerungen, die das Kalchofengut in seinem Gebälk, den Mauerritzen, Ecken und Winkeln bewahrt hat. Einige dieser Geheimnisse lüftet Museumskustos Josef Auer bei einer Führung durch das mehr als 700 Jahre alte Bauernhaus. Manch anderes Geheimnis erfährt nur, wer sich viel Zeit zum Anfassen und Hinspüren nimmt. Wenn man dann noch das Glück hat, von dem ehemaligen Holzknecht Albert „Bert“ Hinterseer in die Kunst des Muaskochens und des traditionellen Schindelmachens eingeweiht zu werden, ist man endgültig angekommen: In der „guten, alten Zeit“ anno dazumal in Unken.

Bert Hinterseer hat in der Küche des Kalchofenguts ein Feuer geschürt, dass es nur so raucht. Begierig knabbern die Flammen an den knacksenden Buchenscheiten, die einen unwiderstehlichen Geruch nach Holz und Wald verströmen. Die gemauerten Gewölbe in der Küche sind schwarz vom Ruß der vergangenen Jahrhunderte und nun scheint eine weitere Schicht hinzuzukommen: Rauchschwaden ziehen durch die niedrigen Räume des Bauernhauses. Dieses beherbergt seit Anfang der 1970er Jahre das Unkener Heimathaus, das mittlerweile zum Unkener Regionalmuseum avancierte. Bert hat die Hemdsärmel hochgekrempelt und seine sehnigen Unterarme und groben Hände zeugen davon, dass er sein Leben lang hart gearbeitet hat: Er kocht das traditionelle Muas, so wie er es als junger Holzknecht gelernt hat. Von 1964 bis 1975 arbeitete der Unkener bei den Bayerischen Saalforsten, die sich aufgrund einer historischen Besonderheit auf österreichischem Boden befinden. Elf Jahre lang hat er vom Frühjahr bis in den Herbst hinein in seinem Natur- und Lebensraum Wald gelebt und gearbeitet: Jeden Montag zog er los, den Wochensack gepackt mit einem Laib Brot, Geselchtem, Mehl und Butter. Das Muas wurde in der Unterkunftshütte zum Frühstück gekocht und verzehrt. „Dazu gab es schwarzen Kaffee und Walderdbeeren, wenn wir denn welche gefunden haben“, erinnert sich der Falterbauer, während er die schwere Pfanne auf den Tisch in der Stube stellt. „Es war eine schöne Zeit, auch wenn es harte Arbeit war. In jedem Fall haben wir als junge Männer dort das Kochen gelernt. Aber das hab ich später wieder ganz schnell meiner Frau überlassen.“

© SalzburgerLand Tourismus, Unterwegs im Salzburger Saalachtal

Holz war lange Zeit Lebensgrundlage in Unken

Wenn der Bert von seiner Arbeit als Holzknecht erzählt, tut er das mit leuchtenden Augen. Man selbst hat den Eindruck, er erzähle aus einem anderen Leben. Dabei sind in der Zwischenzeit gerade einmal fünfzig Jahre vergangen. Das Holz war in der waldreichen Gemeinde Unken im Salzburger Saalachtal lange Zeit die wichtigste Einkommensquelle und Lebensgrundlage: Seit dem 13. Jahrhundert wurde der Rohstoff vor allem für die Saline in Bad Reichenhall benötigt und gelangte auf dem Wasserweg dorthin. Die „Konvention zwischen Bayern und Österreich über die beiderseitigen Salinenverhältnisse vom 18. März 1829“ gilt als der älteste Staatsvertrag Europas. Für die Holzknechte machte es aber nie einen Unterschied, für wen sie schufteten: Die Arbeit war ein Knochenjob, gefährlich und riskant. Vor allem im Herbst, wenn die Baumstämme ins Tal gezogen wurden, kam es zu grausigen Unfällen. Wie gefährlich diese Angelegenheit war, bringt Bert Hinterseer auf den Punkt: „Unten an den Holzrinnen standen die unverheirateten Männer. Sollte einer zu Tode kommen, würde er zumindest keine Familie hinterlassen.“ Bei diesen Erzählungen vergisst man beinahe aufs Kauen, auch wenn das Muas, das ausschließlich aus Schmalz und Mehl besteht, erstaunlich gut schmeckt.

Jedes Detail im Kalchofengut erzählt Unkener Ortsgeschichte

Die Besichtigung des Kalchofenguts gleicht einer kleinen Zeitreise. Das altehrwürdige und liebevoll gepflegte Gebäude wurde vermutlich um 1300 erbaut und ist bis heute der einzige, baulich unveränderte Streckhof des Mittelpinzgaus: Bei diesem für die Region recht typischen Baustil sind Wohntrakt und Stall unter einem Dach vereint. Über zwölf Generationen lang war das Haus im Besitz ein- und derselben Familie, danach diente es bis 1968 als Armenhaus, in dem vier Sozialwohnungen – ohne Strom und fließend Wasser – untergebracht waren. Soweit die Fakten, doch das Kalchofengut und seine besonderen Details erzählen viele weitere Geschichten. So etwa das Andreaskreuz auf der Doppeltür, das Unheil abwehren soll und auf das uns Museumskustos Josef Auer am Beginn des Rundgangs aufmerksam macht, ebenso wie auf das Bettelfenster neben der Haustür, das kleine Schwalbenloch und den Türrahmen aus Unkener Konglomerat. „Man fuhr mit den Rössern und dem Fuhrwagen ins Haus und durch den Hausgang weiter in den Stall. Daher gab es diese breite, doppelflügelige Tür“, erklärt Josef Auer. Noch heute ist im Hausgang das ehemalige Schwalbennest zu sehen. In der Stube gibt es hölzerne Stangen für die Rossdecken, das „Gebfenster“ – eine Art Durchreiche in die Rauchküche – und ein Wandlkastl, in dem der Bauer seine besten Schnäpse verwahrte. Über die Treppe geht es hinauf ins Obergeschoß mit Schlafzimmern, Sakralkammer und einer Christusstatue aus dem Jahr 1375.

© SalzburgerLand Tourismus, Rauchkuchl

Das Leben in Unken quer durch die Jahrhunderte: Von der Wiege bis zum Totenb(r)ett

Der Geruch hängt noch in den alten Gemäuern des Kalchofenguts: Er regt die Fantasie an und wie von selbst tauchen Bilder im eigenen Kopf davon auf, wie man unter dem Dach des Bauernhauses gelebt, gearbeitet, geliebt, gelacht und geweint hat. Das Leben war gewiss kein Spaziergang, weder für die Bauersfamilie noch für die Knechte und Mägde. Dunkelheit und Licht gaben den Tagesrhythmus vor, die Arbeit war existenziell und die Tiere wichtige Lebensgrundlage. Der Glaube an Gott und der sonntägliche Kirchgang oberstes Gebot. Den letzten Weg in die Kirche legten Verstorbene auf einem Totenbrett zurück, auf dem sie zuvor in der guten Stube aufgebahrt wurden. Heute zieren verschiedene Totenbretter die straßenseitige Fassade des Kalchofenguts. „Meistens wurden die Bretter an Heustadeln oder Wagenhütten entlang des Weges angebracht, den der Verstorbene zu Lebzeiten immer zum Kirchgang zurückgelegt hat“, erklärt Josef Auer.

Viel Gefühl für Holz und ein altes Handwerk

Bert Hinterseer hat zwischenzeitlich die Pfanne gespült sowie Stube und Küche nach Holzknechtmanier aufgeräumt. Gut gestärkt geht es nun in der alten Tenne ans Schindelmachen. „Die traditionellen Schindeln sterben leider aus, weil ihre Herstellung viel Arbeit macht, aufwändig und kostspielig ist“, erzählt er und donnert im nächsten Moment den Holzschlegel mit voller Wucht auf den Lärchenstamm. Spätestens jetzt wird klar, wieviel Kraft der drahtig aussehende Bauer hat: Wie von selbst scheint sich eine rund 75 Zentimeter lange und gut drei Zentimeter dicke Holzplatte von dem Stamm zu lösen: Die erste Schindel ist fertig. Der Falterbauer macht unbeeindruckt weiter: Wieder und wieder saust der Holzschlegel auf den Stamm. Mit Kletzhacke und Reifmesser wird die Schindel fertig gearbeitet. Was bei Bert Hinterseer so einfach aussieht, ist ein altüberliefertes Handwerk, das nur noch wenige beherrschen. Über Jahrhunderte hat das traditionelle Holzschindeldach die alpine Architektur im Salzburger Saalachtal und im Pinzgau geprägt, heute ist es eine Kunst, die man sich meist nur noch für die Dächer von Kirchen oder Kapellen leisten will. Der Falterbauer hat das Können an seinen Sohn weitergegeben. Ihre eigenen Almhütten sind ausschließlich mit Holzschindeln gedeckt. Rund 16 bis 20 Schindeln braucht man für einen Quadratmeter, alle vier bis fünf Jahre müssen diese umgedreht und neu geordnet werden. Dann haben die Schindeln eine Lebenszeit von etwa zwanzig Jahren. Beschwert werden sie ausschließlich mit Steinen und Schwerstangen. Allein für das Dach des Kalchofenguts werden 3.000 einzelne Holzschindeln benötigt. „Das Schindelmachen ist eine Winter- oder Schlechtwetterarbeit“, schmunzelt Bert Hinterseer. „Mit Holz zu arbeiten macht mir heute so viel Freude wie vor fünfzig Jahren. Daran hat sich nie etwas geändert.“

© SalzburgerLand Tourismus, Alte bäuerliche Gerätschaften aus Holz

Rezept für traditionelles Holzknecht-Muas

  • 3 große Löffel Mehl pro Person
  • reichlich Butterschmalz

Eine schwere Pfanne erhitzen, Butterschmalz darin schmelzen und das Mehl beigeben. Das Mehl unter ständigem Rühren so lange im Butterschmalz rösten bis es bröselig wird und eine braune Färbung erhält. Das kann gut eine Viertelstunde dauern. Mit Kaffee servieren.

Wer es nicht ganz so puristisch mag, mischt frische Früchte oder Kirschen unters Muas und süßt es mit Zucker.

Regionalmuseum Kalchofen in Unken

Das Kalchofengut ist von Mitte Mai bis Mitte Oktober jeweils freitags von 16 bis 21 Uhr bzw. nach Vereinbarung gegen eine geringe Eintrittsgebühr geöffnet. www.kalchofengut.at |

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